Der Stummfilmklassiker Nosferatu entfaltete in dieser Aufführung eine geradezu hypnotische Wirkung – maßgeblich getragen von der eindrucksvollen Live-Orgelbegleitung durch den 28-jährigen Kantor Lukas Euler, der das Publikum mit seiner Virtuosität und Kreativität restlos begeisterte.
Mit meisterhaftem Gespür für Timing und Atmosphäre ließ er die Bilder auf der Leinwand lebendig werden: Die verwendeten Register und Klangfarben waren außergewöhnlich kontrastreich gewählt – mal bedrohlich tief und grollend, dann wieder flirrend hell oder spannungsvoll dissonant. So wurde jede Szene, jeder Schattenwurf, jede Bewegung des Vampirs musikalisch unterstrichen und mit Emotion aufgeladen. Dabei zeigte sich der junge Kantor als Meister der Dramaturgie: Die Spannung wurde konsequent aufgebaut, mit klanglichen Höhepunkten zur rechten Zeit und feinsinnigen Zwischentönen, wo Stille fast greifbar wurde. Die präzise Abstimmung von Sound und Bild war beeindruckend – kein Toneinsatz zu viel, kein Moment verpasst. So wurde Nosferatu nicht nur als filmisches, sondern auch als musikalisches Erlebnis greifbar.
Die anderthalbstündige Orgelperformance war eine enorme künstlerische und körperliche Leistung, die das zahlreiche Publikum in der Pauluskirche in Atem hielt. Am Ende blieb kein Zweifel: Diese Interpretation war weit mehr als eine musikalische Begleitung – sie war ein eigenständiges Kunstwerk. Der verdiente Lohn: langanhaltender Applaus und begeisterte Standing Ovations für einen jungen Künstler, der das alte Handwerk der Stummfilmbegleitung mit neuem Leben erfüllt hat. Ein unvergesslicher Abend.
Jill Rabenau